Kampf um den Ostkiez oder warum unser Besuch das Auto lieber im Parkhaus unterstellte

Ob man in unserer Straße parken könne, wurden wir von unseren Freunden gefragt, die im Laufe des 31. Dezember zu uns kommen wollten. Nun ja, in unserem Abschnitt der Straße nicht, denn seit ihrem letzten Besuch gehört der zur Anwohnerparkzone, aber ein Stück die Straße weiter würde das schon gehen, war unsere Antwort. Später stellte sich die die selbe Frage aber nochmal in einem anderen Kontext.

Könne man ein relativ großes neues Auto – kein Mercedes oder BMW – mit Münchener Kennzeichen wirklich am Silvesterabend in unserem Kiez abstellen? Oder würde es ein paar Stunden später vielleicht schon brennen? Wer sollte schließlich wissen, dass der Wagen keinem neureichen Zugezogenen mit Eigentumsloft gehört, sondern nur unserem Besuch? Die Meldungen von den brennenden Autos in Friedrichshain sind weithin bekannt. Schlussendlich wurde das Auto im Parkhaus abgestellt, nur ein paar Meter von dem Haus entfernt, in dem der Halter noch vor ein paar Jahren hier im Kiez gewohnt hatte.

Auch der Spiegel nahm sich dem buchstäblich brennenden Thema in Berlin-Friedrichshain im aktuellen Heft an: „Kampf um den Ostkiez

Der Kampf im Kiez ist ein Streit um Lebensentwürfe, ein Streit über das Tempo, in dem sich die Stadt wandelt – und darüber, wer sie verändert. Dieser Kampf wird mit Worten ausgetragen, aber eben auch mit Brandsätzen gegen Autos, Stinkbomben in Bars und Drohungen auf offener Straße. Inzwischen liegen in dem Stellungskrieg die Nerven blank. Eine sogenannte Brandstreife, Zivilpolizisten, die durch den Kiez ziehen auf der Suche nach möglichen Auto-Attentätern, wusste sich bei einer Attacke durch Jugendliche nur noch durch einen Schuss in den Unterschenkel eines Angreifers zu wehren.

Die Auseinandersetzungen haben die Kiezgrenze schon überschritten, sie sind Folge der Gentrifizierung des Ost-Berliner Zentrums: Verdrängung durch Wohlstand nennen Wissenschaftler diesen Prozess.

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Dass in Berlin jede Woche Autos brennen, werde unfairerweise allein den Autonomen angelastet. Da seien viele Trittbrettfahrer unterwegs, betrunkene Jugendliche, die vom „guten Kampf gegen die Aufwertung des Viertels und die Verdrängung“ gar keine Ahnung hätten.

Gehören wir zum Wohlstand, der die Alteingesessenen verdrängt? In die Schublade passen wir ja wirklich prima. Wir sind beide voll berufstätig, unser Knirps geht in die Kita um die Ecke, wir lassen das Geld im Kiez und gern auch bei den kleinen Läden und Cafés. Allerdings stinken mir Hundebesitzer, die ihre Tiere nicht an die Leine nehmen und die Hinterlassenschaften nicht entfernen. Mich stören Schmierereien, Zigarettenkippen, Kronkorken und zerbrochene Flaschen auf den Spielplätzen gewaltig.

Und ganz ehrlich: Ich mag es auch nicht, wenn Autos angezündet werden und man sich dann später über jugendliche Trittbrettfahrer beschwert. Der Zweck heiligt nun mal eben nicht immer die Mittel.

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