Mehr Schwung in mein Leben! (Ein Laufdrama in 5 Kilometern)

Das Töchterchen mit dem neuen Gymnastikband

Ich denke an das lila Gymnastikband, mit dem meine Kinder abwechselnd vor dem Haus herumfuchteln. Zickzack klappt schon ganz gut. Kringel sind schwieriger. Das Gymnastikband ist nicht das einzige, was beim Besuch des Geschäftes für Sportausrüstung in meiner Tasche landete, obwohl es nicht geplant war. Eigentlich sollten es nur ein paar neue Teile für den Schulsport der Kinder werden.

Jetzt haben wir nicht nur neue Sportklamotten und Hallensportschuhe, sondern eine Fitnessmatte, ein Theraband, eine aufziehbare Taschenlampe und natürlich das Gymnastikband.

Kilometer Null: Schleich dich, Mama!

Ich wühle im Schrank nach einer Laufhose. Die einzige, die ich finden kann, liegt ganz hinten neben einer Tüte mit Lockenwicklern. Wann ich das letzte Mal Lockenwickler drin hatte, weiß ich nicht. Das sagt viel darüber aus, wann hier das letzte Mal die Laufhose zum Einsatz kam, ich weiß. Sport-Bustier und Laufjacke sind zum Glück einfacher zu finden.

Mal für 30 Minuten ein bisschen Laufen Joggen. So mache ich es mit meinem Mann aus und verlasse barfuß die Wohnung. Socken und Schuhe ziehe ich mir auf der Treppe an. Hätte ich nur ein winziges Geräusch aus dem Zimmer der Jüngsten gehört, wäre ich mit einem „Ohschadedaswirdheutedochnichts!“ zu ihr ans Bettchen gesaust. Mein innerer Schweinehund hätte sich dann bequem neben mich gesetzt. Deswegen: Tür schnell zu und Schuhe an.

Kilometer Eins: Wiggle Wiggle mit Kabelsalat

Ich laufe jogge die einstige Prachtstraße entlang. Noch fühle ich mich prächtig und bin mächtig stolz. Richtung Alexanderplatz soll es gehen und vielleicht schaffe ich es sogar bis zum Alexanderplatz. Dann könnte ich eben schnell gucken, ob im Büro noch Licht an ist. Natürlich wird kein Licht mehr an sein, aber irgend einen bekloppten Grund braucht man schließlich, oder?

Irgendwie muss ich von einem prächtigen Start in ein mittelmäßiges Traben abgedriftet sein, denn Spotify passt die Musik meinem Lauftempo Joggingtempo an und schmettert mir Jason Derulo mit Wiggle auf die Ohren: „Hot damn it. Your booty like two planets. Go head, and go ham sandwich. Whoa, I can’t stand it.  ‚Cause you know what to do with that big fat butt. Wiggle, wiggle, wiggle…“

Stopp! So laufe jogge ich nicht weiter. Ich fingere umständlich das Smartphone aus der Tasche meiner Laufjacke. Da kann es ohnehin nicht bleiben, denn bei jedem Schritt rutscht es mehr aus der Tasche, deren Gummizug schon bessere Tage gesehen hat. Im Sportgeschäft fand ich die Smartphonehüllen für den Oberarm noch albern. Jetzt hätte ich gern so ein Ding gehabt. Ich suche schnell einen anderen Running-Kanal auf Spotify aus und stecke mir das Smartphone kurzerhand ins Sportbustier. Super, jetzt ist Schluss mit dem Gewiggel. Aber meine Kopfhörerkabel haben sich bei dieser hastigen Aktion verknotet. Egal, weiter geht’s. Bei einem lächerlichen Kilometer kann es schließlich nicht bleiben!

Kilometer Zwei: Nein, ich zappel nicht an der roten Ampel!

An der nächsten Kreuzung wird klar, dass es mit der grünen Welle vorbei ist. Kaum komme ich dort an, schaltet das blöde Ding auf Rot. Ich bleibe stehen, denn ich will keine dieser hüpfenden Läuferinnen Joggerinnen an einer Ampel sein, die ich sonst immer so albern finde.

Mein Entschluss der sportlichen Betätigung wird durch einen schönen Zufall belohnt. Der letzte Teil der vierspurigen Straße, von denen tagsüber höchstens drei Spurenzur Verfügung stehen, ist von einer Veranstaltung noch immer abgesperrt. So gehört eine der meist befahrenen Straßen Berlins mir. Okay, sie gehört mit und den Leuten, die noch die Reste einer Bühne abbauen müssen.

Doch schon nach wenigen hundert Metern muss ich wieder den Fußweg benutzen. Eine Straßensperrung hält hier in Berlin nie wirklich lange. Merke: Wenn das Auto durch eine Absperrung passt, ist es keine Absperrung mehr. Daran ändern auch das komische runde, rot-weiße Verkehrsschild nichts.

Kilometer Drei: Ich bin reif für Energy-Socken!

Ich habe den Alexanderplatz erreicht. Nun ja, fast. Sagen wir, ich habe ihn gestreift. Nun befinde ich mich auf dem Rückweg und das Leben ist schön. Doch es bleibt nicht schön.

Kurz vor Kilometer Drei werden die Beide schwer. Zwei rote Ampeln halten meinen Lauf mein Jogging erneut auf und ich merke, dass das mit den 30 Minuten eine verdammt knappe Kiste wird. Ich weiß nicht, ob das gut ist, aber ich ziehe das Tempo etwas an.

Mein Kopf ist heiß und beim nächsten Schaufenster sehe ich, dass mein Kopf, wie er da so aus der weißen Laufjacke herausragt, in besonders schönem Rot glüht. Ich glaube, nur ein gepflegtes Nasenbluten hätte dieses Farbenspiel aus Weiß und Rot an Intensität noch überbieten können.

Dann kommt ein Schaufenster, bei dem ich unweigerlich denke: „Das haben sie heute extra für mich dekoriert!“ Dort lachen mich doch tatsächlich Socken an, die mehr Energie und Leistungsvermögen versprechen.

Energy-Socken? Ich hätte mir die zur Not auch über den Kopf gezogen.

Ich bin an einem Punkt, an dem ich mir so eine Socke auch direkt über den Kopf ziehen würde, wenn sie mir nur genug Energie gäbe, um endlich zu Hause anzukommen.

Kilometer Vier: Ab hier übernimmt das Kleinhirn

Schaffe ich wenigstens die Fünf? Fünf Kilometer sind doch kein Ding, sage ich mir. Die Fünf knackst du noch, bevor die halbe Stunde um ist. Kopf, Beine und Beckenboden lachen hämisch.

Ab da denke ich gar nichts mehr. Welchen Song Spotify gerade spielt, weiß ich nicht. Irgend etwas mit famous. Es könnte auch ein ganz anderes F-Wort gewesen sein, aber das ist mir jetzt egal. Ich laufe jogge nur noch. Ich schaue mir selbst beim Laufen Joggen zu und wundere mich, dass mein Körper das gerade ganz allein bewerkstelligt.

Kilometer Fünf: Zeit ist relativ

Als mir Runtastic ins Ohr flüstert, dass ich gerade fünf Kilometer geschafft habe, ist mein Großhirn wieder komplett da. Die halbe Stunde habe ich schon längst überschritten und noch bin ich nicht zu Hause. Aber egal. Ab sofort wird gemütlich getrottet, auch wenn damit die Chance gänzlich vertan ist, irgendwie annähernd eine halbe Stunde Laufen Joggen gewesen zu sein.

Zeit ist relativ und den Glücklichen schlägt sowieso keine Stunde. Ich bin glücklich.

Kilometer… ach irgendwas mit zu Hause eben!

Natürlich habe ich es nach Hause geschafft. Ich brauche dringend Wasser. Innerlich wie äußerlich. Meine Laufsachen, die ich mir irgendwie vom Leib pelle, bleiben als Haufen genau da im Bad liegen, wo sie liegen. Ein Phänomen, dass sonst nur bei den restlichen Familienmitgliedern auftritt.

Nach dem Duschen fühle ich mich wieder wie ein Mensch und scrolle mich durch meine Statistik bei Runtastic. Ganze 5,66 Kilometer bin ich gelaufen gejoggt. Stolz strecke ich meinem Liebsten das Display entgegen. Nur einen der angegebenen Werte verstehe ich nicht. Was ist ein Durschnittl. Pace?

Eine kurze Konsultation des Internets, lässt mich ernüchtert aufs Sofa sinken. Mit Pace wird im Laufsport ermittelt, in welcher Zeit man eine bestimmte Distanz zurücklegt. Die sogenannte Joggergrenze, ein gängiger Wert zur Abgrenzung von Läufern und Joggern, liegt bei einem Pace  von 4:00 min/km. Mir wird ein durchschnittlicher Pace von 7:17 min/km angezeigt.

Das ist der Grund, warum ich gewissenhaft noch einmal die Begrifflichkeiten Laufen und Joggen in diesem Artikel korrigiert habe. Und es ist mein Ansporn besser zu werden.

Wir sehen uns auf der anderen Seite der Joggergrenze!

 

8 Kommentare

  1. Glückwunsch! Einfach mal machen :-) Ganz schön easy, mit den Kindern mithalten zu können. Ich habe am 22. September bei der B2Run Firmenmeisterschaft am Berliner Olympiastadion eben mal die 6 km-Distanz geschafft und fühle mich wohl dabei.
    Eine tolle Stimmung, Begeisterungsfähigkeit und vielfache Emotionen, die getragen haben.
    So ist`s schon angenehmer, als ständig über irgendwelche Wehwehchen zu jammern.
    Super-Mama: Weiter so….

  2. Hi Sophie,

    Oh, das ist ja so erkennbar. Aber ich weiß aus Erfahrung: irgendwann klappt das I-Phone herausfingern im laufen (joggen ;-) ) schon so gut, dass du volles Tempo beibehältst. An der Ampel zappelst du gerne, weil du bemerkst, dass du dann in Schwung bleibst. Und irgendwann sagst du dir bei 3 Kilometer: „So, jetzt bin ich grad mal richtig aufgewärmt“.

    Toi toi toi bis dahin und möge der Zeitpunkt bald kommen!

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