Ich kann aus Scheiße Bonbons machen

Mit der Herzensfreundin am Strand von Kühlungsborn
Mit der Herzensfreundin am Strand von Kühlungsborn

Was alle Eltern und vor allem uns Mütter eint, ist eindeutig das schlechte Gewissen. So brachte es Tanya von Lucie Marshall auf den Punkt und rief in ihrer #momsrock Blogparade uns Mütter dazu auf, den Spieß einmal umzudrehen. Ein dickes, fettes Lob an uns selbst oder eine Mutter aus unserem Umfeld sollte es sein. Was die bisherigen Teilnehmerinnen eint, ist die Erkenntnis, dass Selbstlob, zudem noch öffentlich niedergeschrieben, gar nicht so einfach ist.

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Überschrift nicht doch diplomatischer formulieren könnte. Aber ich muss zugeben, dass mir bei der Überlegung, was ich in Bezug auf meine Kinder richtig gut gemacht habe, als erstes „Ich kann aus Scheiße Bonbons machen“ in den Sinn kam. Das lässt sich einfach nur so formulieren. Kind 1.0 honorierte die Überschrift schon mit einem „Cool, du hast echt das Sch***-Wort geschrieben!“, die er auf meinem Monitor aufgeschnappt hatte, da war noch kein Wort für den Artikel getippt.

Jammern ist erlaubt

Ich habe gelernt, dass Scheiße eben manchmal passiert, lange bevor der Spruch „Shit Happens“ als Aufkleber hier käuflich zu erwerben war oder in Forrest Gump seinen Auftritt hatte. Wenn alles mal wieder so richtig schön scheiße ist, ist es Zeit zu jammern. Ja, ich finde, Jammern kann ein sehr reinigender und hilfreicher Schritt sein, wenn es so richtig von Herzen kommt. Oder noch besser: wenn man es versteht, vom Jammermodus in den professionellen Klagemodus zu wechseln. Man betreibt dabei sogar eine prima Burn-Out-Prävention. Klingt komisch? Dann schaut mal hier.

Für mich steht aber außer Frage, dass man sich aber auch irgendwann aus dem Tal des Jammerns verabschieden muss. Manchmal braucht man einfach ein bisschen Muckis und Durchhaltevermögen, manchmal eine komplette Bergsteigerausrüstung, um da wieder heraus zu kommen. Und dann geht’s weiter.

Psychologisch gesehen bin ich ein Gummiball

Psychologen kramen in diesem Zusammenhang den Begriff Resilienz heraus. Das leitet sich vom englischen Wort „resilience“ (dt. Spannkraft, Elastizität, Strapazierfähigkeit) ab. Resiliente Materialien kehren nach äußerer Krafteinwirkung und Verformung wieder in den Ausgangszustand zurück. Gummi zum Beispiel.

Nennt mich Gummiball, aber genau das ist es, was ich als Mutter richtig gut kann. Manchmal bin ich echt platt gedrückt, aber es dauert nicht lange, da hopse ich wieder durch die Gegend. Ich halte mein seelisches Immunsystem stark und das hilft mir, blöde Situationen und Krisen durchzustehen oder sogar gestärkt daraus hervorzugehen. So dauerhaft als platt gedrücktes Stück Gummi am Boden herum zu liegen, wäre doch auch eine ziemlich dämliche Alternative, oder?

Bonbons versüßen das Leben

Mit meinen Kindern bin ich immer besser darin geworden, aus wirklich bescheidenen beschissenen Situationen das Beste zu machen. Gerade auf Reisen kommt das letztlich allen Beteiligten zu Gute. Ein passendes Beispiel war die Fahrt mit dem ICE von Hamburg nach Berlin. Ich war allein mit meinen zwei Mädchen unterwegs und wir waren statt kurz vor sieben Uhr abends erst nachts halb zwei in der Nacht zu Hause, weil es einen „Zwischenfall mit Personenschaden“ gab. Mit einem Baby und einer übermüdeten Vierjährigen, die mitbekommt, dass direkt vorm Fenster menschliche Überreste gesucht werden, kein Zuckerschlecken.

Wir haben übrigens Forscherinnen gespielt, die sich gegen Vorlage der Kinderfahrkarte erst einmal Proviant im Bistro holen, dann ihre Ausrüstung packen, über eine Behelfsbrücke ins benachbarte Forschungsschiff steigen, dort in einer Höhle ihr Lager aufschlagen, zurück zum Basislager nach Hamburg fahren, eine geheime Route zum Gleis 12 finden… usw.
Kind 2.0 war am nächsten Tag ziemlich müde, aber schwer begeistert von der aufregenden Fahrt.

Die besten Lehrjahre waren übrigens die Jahre, in denen ich Reiseleiterin im Feriencamp (in meinem Sprachschatz: Ferienlager) war. Dort wurde meine Teamkollegin zu meiner Herzensfreundin. Wer schon einmal mit ein paar Rollen Krepppapier und einer unvollständigen Spielsammlung einen grandiosen Casino-Abend für über 80 Kinder organisiert hat, der kann aus allem Bonbons machen. Sogar aus Scheiße.

Meinen Beitrag zur #momsrock Blogparade widme ich deshalb meiner liebsten Herzensfreundin, mit der ich jederzeit wieder ins Ferienlager fahren würde – vorausgesetzt, man ließe uns heute noch. Liebste Herzensfreundin, you rock!

18 Kommentare

  1. Supergut. Daran nehme ich mir künftig mal ein Beispiel. Nicht was das Jammern betrifft, das kann ich nämlich fantastisch. Sondern an Deinem kreativen Umgang mit bekackten Situationen. So muss man’s machen – das werde ich ab jetzt üben.

    Meinen eigenen #momsrock-Beitrag habe ich auch nicht mir, sondern meinen Müttern gewidmet, soviel zum Thema Eigenlob. Ich bin ja erst seit nem knappen Jahr Mutter, da hab ich irgendwie noch nicht so viel zum Loben finden können :-D

  2. Danke Sophie! Ich finde auch das jammern erlaubt ist, aber das man auch mal wieder damit aufhören muss und die Ärmel hochkrempeln. Denn sonst passiert ja nichts anderes außer das man jammert über die Umstände und die ändern sich eben meist nicht von alleine.

    Du rockst!

  3. Ich finde es toll, dass Du es geschafft hast, noch mal eine ganz andere Art der Lobhudelei zu schreiben. Ich bin ganz ähnlich, was das Gummiball-Phänomen angeht. Leider kann ich bei der Kreativität, die Du im Zug an den Tag gelegt hast nicht mithalten. Hut ab! Ich werde sicher irgendwann daran denken.

    Liebe Grüße
    Julia

  4. Hallo Sophie,
    ich habe deinen Artikel herzhaft lachend gelesen. Ach ich werde meine Sichtweise in mancherlei Hinsicht ändern. Danke Christina

  5. die Überschrift hat mich dazu verleitet drauf zu klicken obwohl ich so langsam mal meinen Schönheitsschlaf brauche :-) bald Mitternacht ….

    Hey, cooler und witziger Artikel !!! Yeaa … gute Einstellung …. manchmal jammere ich auch zu viel …. aber es kommt auch schon mal vor, dass ich aus Scheiße Gold mache :-) wo wir hier alle gerade beim Loben sind …

  6. Liebe Sophie,

    jetzt musste erst der heutige Blog Kommentiertag #‎blokode ausgerufen werden, dass ich endlich mal zwischen nörgelndem, super neugierigen kleinen Mann um meine Beine herum, Deinen Blog kommentiere und nicht nur lese!
    Ich genieße ganz viele Artikel von Dir und obiger gehört auf jeden Fall dazu.
    Als Drilling kann ich meine Mama jeden Tag in den Himmel loben, sie ist mir ein großes Vorbild, einfach wunderbar wie sie alles geschafft hat und uns unser Leben immer bunt und glitzernd gemacht hat!
    Herzliche Grüße, Nina

  7. Früher sagte meine Mutter immer, dass sie aus Scheiße Kakao machten, wahrscheinlich sind Bonbons und Kakao eher regional bestimmt.
    Jammern gehört dazu und muss sein, irgendwann muss ja jeder mal auf den Arm ;-)
    Ich wußte gar nicht, dass Du noch zur Generation Ferienlager gehörst ;-) Liebe Grüße und einen guten Rutsch. Ines

    1. Hallo Ines,
      das mit dem Kakao klingt auch gut. Hihi! Und ja, Ferienlager gehörte definitiv zu meiner Kindheit dazu. Später war ich viele Jahre Reiseleiterin bei Kinder- und Jugendreisen.
      Liebe Grüße, Sophie!

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