Ja, wo rollen sie denn? Die Diskussion um das Kinderwagen-Verbot auf Rolltreppen.

Es könnte eine ganz reale Szene am heutigen Freitag, den 22. Januar sein. Am U-Bahnhof Ruhleben steht eine Mutter mit Kinderwagen vor der Treppe und schaut sich hilfesuchend um, damit jemand beim Hinauftragen des Kinderwagens hilft. Der Aufzug ist (mal wieder) außer Betrieb. Nachdem schon viele prinzipiell hilfsbereite Mitbürger an der jungen Frau vorbeigeeilt sind, die leider gerade jetzt durch schwere Rücken-, Knie- und sonstige Leiden absolut nicht in der Lage waren ihr zu helfen, findet sich doch noch ein älterer, aber rüstiger Herr.
Während beide schnaufend den Kinderwagen Stufe für Stufe hinauf wuchten, rattert nebenan die Rolltreppe, von der aus einige Leute ungläubig auf die beiden mit ihrer schweren Last herüberschauen. „Schon gut, junge Frau.“, schnaubt der Mann, „Ich weiß schon, die neue EU-Norm. Da kann man nichts machen!“

Hinweis auf Kinderwagen-Verbot auf Rolltreppen am Potsdamer Platz in Berlin
Hinweis auf Kinderwagen-Verbot auf Rolltreppen am Potsdamer Platz in Berlin (Foto: Welt Online, Reto Klar)

Eine Änderung der Europäischen Norm EN115 zur Sicherheit von Fahrtreppen verbietet seit dem 1. Januar 2010 die Mitnahme von Kinderwagen auf Rolltreppen und Fahrsteigen. Dies diene dem Schutz der Kinder, denn wer den Kinderwagen festhalten muss, kann sich selbst nicht festhalten. Kommt es dann zu einer Notbremsung… Genau, das kann sich jeder ausmalen. Soweit, so einleuchtend.
Natürlich macht man sich nicht gleich strafbar, wenn man doch samt Kinderwagen eine Rolltreppe benutzt, denn schließlich handelt es sich nicht um ein Gesetz, nur eine Industrienorm. Wer aber mit Kinderwagen auf einer Rolltreppe verunglückt und nicht eindeutig nachweisen kann, dass der Kinderwagen nicht Schuld am Unfall ist, der muss die Kosten selber zahlen.

Wenn es nur immer so einfach mit Alternativen wäre, dann würden sich viele Mütter über die neuen Aufkleber, die eifrig an die Rolltreppen auf Berliner Bahnhöfe geklebt wurden, nicht so aufregen. Nicht immer ist nämlich ein funktionierender Aufzug in der Nähe. Und so wundert es nicht, dass es in den Diskussionen heißt her geht:

„…ich finde die BVG sollte die Chance nutzen und ein allgemeines Verbot von Kinderwagen auf den Betriebsstätten und allen Bahnen durchsetzen. Dann auch gleich die Hunde mit verbieten und dann mal 2 Jahre Ruhe und danach der Fahrgast im Allgemeinen, der nervt doch eh nur!“

„OK, schleppt Mami also ihr Balg mit einem Wickeltuch in den nächsten U-Bahnhof – darf ja jetzt auch wieder die Rolltreppe benutzen! Huppsi gestürzt – auf der Rolltreppe. Also Wickeltücher werden auch auf Rolltreppen verboten.“

„Ich habe meinen KiWa auf der Rolltreppe voll im Griff, stehe immer in Schrittstellung, sodass ich ein unerwartetes Beschleunigen oder Abbremsen ausgleichen kann. Ich kenne meine Fähigkeiten. Hingegen wird mir mit dem KiWa auf der Treppe bei manchem Helfer Angst und Bange. Leider kann man keinem Menschen vorher ansehen, ob er/sie (freiwillig bieten nur Frauen ihre Hilfe an! Ein Armutszeugnis für die deutschen Männer!) einen KiWa vernünftig tragen kann.“

Immerhin seien aber schon 69 von 173 BVG-Stationen mit Aufzügen ausgestattet, sagt BVG-Sprecherin Heike Müller in einem Artikel des Tagesspiegel. Eine vergleichbare Zahl der Berliner S-Bahnhöfe gibt es nicht. Aber die modernen Kinderwagenschieber von heute können sich wenigstens im Internet über die Aufzugsstörungen der BVG und die „Mobilitätsstörungen“ der S-Bahn informieren, bevor die Fahrt losgeht. Wenn das nichts ist…? So erfahre ich zum Beispiel, dass am heutigen Freitag sieben Aufzüge der BVG defekt sind und ebenfalls sieben Aufzüge der S-Bahn.

Die Welt vermutete in einem Zeitungsartikel vom 28. Dezember 2009, dass hinter der ganzen Panikmache eine Pressemitteilung der Nürnberger Verkehrsbetriebe (VAG) steckt, die nur neidisch machen wolle, weil ihr U-Bahn-Netz an allen 44 Stationen Aufzüge habe. So eine neue EU-Norm gäbe es in Brüssel gar nicht. Alles Mumpitz, die gäbe es wohl, verteidigte die Nürnberger Zeitung die VAG zwei Tage später. Und zum Schluss heißt es dort: „Und die Berliner dürfen ruhig ein wenig neidisch sein…“

Sind wir, liebe Nürnberger, sind wir!

2 Kommentare

  1. Sesselfurzer. Nur Sesselfurzer können sich mit so einem Sche*** beschäftigen. Haben Republik und EU keine anderen, dringenderen Sorgen? Und dann beschweren die Herren Berufsverbrecher, daß immer weniger Kinder gemacht werden.

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