Was sind eigentlich Vollzeitkinder?

Ich habe zwei Kinder, also Vollzeitkinder. In etwa zwei Wochen werden es drei sein. Alle Kinder wurden bisher – so stand es auch ganz unten links im Kleingedruckten – ohne Termin für eine ausführliche Vorbesichtigung, ohne Garantie auf Funktionstüchtigkeit, ohne Rückgaberecht und vor allem zum dauerhaften Einsatz geliefert. Das heißt, es gab sie nicht als Teilzeitmodell. Auch Kind 3.0 wird wieder ein Vollzeitkind sein und das ist gut so.

Warum ich das so schreibe? Und warum ich überhaupt darauf komme, von Vollzeitkindern* und Teilzeitkindern zu sprechen? Sind Kinder nicht sowieso rund um die Uhr Kinder?

Vollzeitkinder. Gibt's die eigentlich auch in Teilzeit?
Vollzeitkinder. Gibt’s die eigentlich auch in Teilzeit?

Richtig, wenn man sie lässt. In Zeiten der Förderitis und durchgeplanten Arbeitswoche für Kinder scheint es auch nicht mehr allzu leicht zu sein, wirklich rund um die Uhr Kind sein zu dürfen. Ihr erinnert euch vielleicht an den Werbespot „Lasst Kinder einfach Kinder sein.“? Ich hatte das Video hier auf dem Blog gepostet.

Auf die Vollzeitkinder komme ich aber vor allem deshalb zu sprechen, weil ich auf Twitter diesen Tweet von Mama Miez fand und sehr darüber schmunzeln musste.

Pia hat nach den Reaktionen bei Twitter und Facebook noch einmal ausführlicher in ihrem Mama Miez Blog beschrieben, warum sie Begriffe wie Vollzeitmutter komisch findet. Braucht denn die Bezeichnung Mutter oder Vater überhaupt noch eine Unterteilung in Vollzeit und Teilzeit?

Auf meinem Zweitblog NetWorkingMom.de schreibe ich – selbst Angestellte in vollzeitnaher Teilzeit, wie es immer so schön heißt – ja auch immer gern über das Phänomen der Teilzeitmütter.

Auch Google weiß eine Menge an Suchergebnissen zu Vollzeitmüttern und Teilzeitmüttern zu liefern, auch wenn beim Lesen der vielen Beiträge schnell klar wird, dass die Begriffe selbst sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Und dann gibt es ja auch noch die Rabenmütter und die Latte-Macchiato-Mütter und… und… und… Genug jedenfalls, dass sich für alle Müttertypen eine Schublade (er)finden lässt. Dazu gibt es übrigens auch einen schönen Beitrag von Mia in ihrem Blog Mama Mia.

Meine Vollzeitkinder zeichnen sich jedenfalls bis jetzt vor allem dadurch aus, dass sie in keine Schublade passen, auch wenn viele Leute versucht haben, eine passende zu finden. Sie lassen sich in keine vorgefertigte Rolle pressen, sondern sind einfach zwei ganz einzigartige Kinder – und das 24 Stunden am Tag. Kind 2.0 versteht mit ihren 3 Jahren schon die die große weite Welt und kann auch als Mädchen jederzeit mindestens fünf Charaktere aus Star Wars aufzählen, braucht aber manchmal unbedingt das Händchenhalten von Mama, wenn’s um den Toilettengang geht – beidhändig, versteht sich.

Kind 1.0 ist mit seinen 6 Jahren schon Experte in Sachen Schulhofpolitik und wäre sicher nicht erst bei Rechenheft 5, sondern 5.000.000, wenn man diese doofen Zahlen nicht immer auch aufschreiben müsste. Gerne bestätigen uns beide Kinder auch gern mal mitten in der Nacht, dass sie wirklich rund um die Uhr Kind sind – wenn sie nämlich nur weiterschlafen können, in dem sie die Mitte unseres Elternbettes erobern und ihre kalten Füße an ein Körperteil von mir oder meinem Mann andocken.

Meine Kinder haben sich als Kind bisher auch noch nicht in Frage gestellt – im Gegensatz zu mir. Ich habe mich schon in dem einen oder anderen Moment als Mutter durchaus in Frage gestellt. Ein „Sei jetzt mal nicht so kindisch!“ habe bisher nur ich zu hören bekommen. Von meinem Großen.

Teilzeitkinder hingegen sind für mich schwer vorstellbar. Sicher sind auch meine Kinder nicht immer bei mir, aber in dieser Zeit sind und bleiben sie Kinder, so wie ich – egal, wo ich mich aufhalte und was ich tue – ihre Mutter bin. Man stelle sich vor, die Eltern-Kind-Beziehung würde auf  Anwesenheitspflicht beruhen. Dann wären meine Kinder schon allein durch Schule und Kindergarten zumindest stundenweise für mehrere Tage in der Woche komplett elternlos!

Gelegentlich aber, ich gebe es zu, probieren sich meine Vollzeitkinder auch gern mal in einem anderen Genre aus. Hier und da sind sie Vorzeigekind. („Du hast aber liebe Kinder. Sind die immer so?“) Manchmal sind sie auch Rabaukenkind, Schmusekind, Kindergartenkind, Schulkind, Besserwisserkind, Krachmacherkind und Geschwisterkind sowieso.

*Ach ja, es gibt sie im Sprachgebrauch aber tatsächlich, die Vollzeitkinder. Ironischerweise werden regional hier und da solche Kinder als Vollzeitkinder bezeichnet, die einen vollen Platz (Ganztagesplatz) in einer Kindertageseinrichtung haben. Deren Mütter hingegen… Na, ihr wisst schon! ;-)

Was habt ihr eigentlich so für Kinder…?

8 Kommentare

  1. Ich hoffe sehr, dass mein Kind sich als Vollzeitkind fühlt und es auch sein darf. Allerdings finde ich, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der das Vollzeitkind-Sein immer schwieriger wird und die Zeit immer kürzer, in der es sozusagen „genehmigt“ ist. Schon im Kindergarten werden die Kinder weitergebildet: Da die Englisch sprechende Handpuppe, dort der Kurs für musikalische Früherziehung und am besten hat man schon in Bauch das Kind mit klassischer Musik vorgebildet. Und dann die Einschulung mit 5. Das sah in meiner Kindheit noch vollkommen anders aus: Wir haben draußen gespielt, an Orten, die meiner Eltern gar nicht kannten, selbstbestimmt und in unserer eigenen Phantasiewelt – nicht in von Erwachsenen vorstrukturierten Räumen wie Spielplätzen und Kursen, in denen Erwachsene ihre Vorstellung von kindlicher Kreativität realisieren, und dabei eigentlich immer die „Förderung“ wie eine kleine dunkle Wolke, die jegliche Ungerichtetheit (also das Wesen von Kreativität) vernichtet, über allem schwebt. Einfach nur Kind zu sein erscheint mir in dieser Umgebung alles andere als einfach.
    Und zum Thema Teilzeitmutter: Ich bezeichne mich auch oft so, da ich durch unsere Familienkonstellation meine Tochter nur jede zweite Woche bei mir ist. Dein Artikel hat mir aber deutlich gemacht, dass der Begriff in diesem Zusammenhang überhaupt keinen Sinn macht. Denn Mama bin ich immer, auch wenn meine Tochter nicht bei mir ist – und das ist auch gut so.

  2. Also irgendwie hab ich das Thema eher so verstanden, daß es wieder mal um die mommywars geht: ist man eine (gute/bessere) Mutter wenn man Vollzeit für seine Kinder da ist? So würde ich es jedenfalls verstehen wenn ich diese Angabe als „über mich“ irgendwo lesen würde: ich bin Vollzeit daheim.

    Natürlich kann man auch den Kehrschluß zu den Kindern ziehen, und welche sind da schon nur in Teilzeit. Was die Gesellschaft von Kindern erwartet wird immer mehr und immer härter, aber da muss man als Eltern intervenieren und sich nicht von dem Frühförderungshype anstecken lassen und auch später darauf achten, daß noch genug Freizeit vorhanden ist.

    Liebe Grüße, Janina

  3. Hi also ich habe ein Kind. Doch sollte ich ihn in Begriffe oder Schubladen einordnen hätte ich wohl 10 Kinder. Als er noch klein war, war er ein Einzahn, dann ein Zweizahn usw. Danach war er ein Windelkind, Tragling, Mamakind, Papakind, verwöhntes Kind,Krippen jetzt Kindergartenkind. Am schlimmsten finde ich jedoch die Bezeichnung des Vorvorschulkindes. Heißt das jetzt ich bin eine Vorvoroma? Ob es die Eifersucht der Erwachsenen ist Kinder einzukategorieren? Wie gerne war ich ein Kind ob Vollzeitbeschäftigten oder Halbzeit. Und nur für bestimmte Augenblicke kommt die Kindheit wieder und für manche bleibt es ewig nur eine Illusion.

  4. Hallo,
    nette Gedankenspiele. Als Mutter sehe ich mich immer und zu jeder Minute auch wenn ich im Büro bin. Ich binde auch allen sehr gerne schnell auf die Nase, dass ich Mutter bin. Nebenbei bin ich noch vieles Anderes: Putzfrau, Köchin, Organisatorin, Faulpelz, Bloggerin, Ehefrau, Hühnerversorgerin, Gärtnerin, Malerin und und und. Meine beiden Kinder sind einfach Kinder und nicht Selbstverwirklichungsprojekte, Partnerersatz und schon gar nicht I-Tüpfelchen welches zu einem „erfolgreichen“ Leben einfach dazu gehört.
    Ich kenne auch ein paar Vollzeitmütter und weiß, dass sie, nur weil sie nicht erwerbsmäßig arbeiten, nicht unbedingt tatsächlich mehr Zeit direkt mit ihren Kindern verbringen. Das ist nicht fieß gemeint, sondern eine Beobachtung.
    Jede muss selbst wissen was sie tut. Was ist eigentlich mit den Vätern?
    Viele Grüße
    Iris

  5. Sehr schön geschrieben.
    Leider muss man sich als Mama mittlerweile ja für alles einen “Namen” ausdenken (bzw. bekommt ihn) oder man muss/darf ständig neugierige Fragen beantworten.

    Arbeitest du etwa schon wieder?
    Was Du arbeitest noch nicht?
    Wie du bist Vollzeitmama?
    Was Deiner hat noch keine Zähne?
    usw.

    Eigentlich traurig, dass man nicht einfach “SEIN” Familien-Modell leben kann :)
    Oder?
    Alles Liebe
    Fräulein Klick

  6. Ich habe ein Brückenkind (Kind 1.0), 4 Jahre alt. Dieses Kind schafft es mit seiner offenen, aufmerksamen und warmherzigen Art Brücken zu bauen und Barrieren und Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Diese Gabe bewundere ich sehr und lehrt mich viel.

    Man wird wirklich täglich in andere Schubladen gepackt. Macht es manchmal einfacher, manchmal auch nicht.

    Ich denke solange man seine Erziehung vor sich selbst und später vllt. reflektierend vor seinen Kindern verantworten kann, ist es ok. Ich muss nicht immer erwachsen sein und erwachsen handeln. Für den Moment betrachtet macht es immer Sinn sich zu fragen ist es in diesem Moment für uns richtig und sinnvoll? Und dann ist mal wie erwähnt täglich in anderen Schubladen, oder auch nicht, hauptsach es passt zu einem. Und welche Art von Mama man letztlich ist, hauptsache ihr habt Spaß dabei und beleibt euch selbst loyal.

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